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BGH nimmt Stellung zum Thermofenster bei Mercedes - VI ZR 433/19

Im Abgasskandal ist das Daimler-Thermofenster vor dem Bundesgerichtshof gelandet. Der BGH stellte mit Beschluss vom 19. Januar 2021 klar, dass die Verwendung eines Thermofensters bei der Abgasrückführung alleine noch nicht sittenwidrig ist. Das kann sich aber ändern, wenn weitere Umstände hinzutreten, die auf ein sittenwidriges Verhalten des Autoherstellers schließen lassen. Ist das der Fall, kann das laut BGH den Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung rechtfertigen (Az.: VI ZR 433/19).

Ein Umstand, der auf ein sittenwidriges Verhalten des Herstellers schließen lässt, kann beispielsweise sein, dass dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens wichtige Informationen vorenthalten wurden oder unzutreffende Angaben gemacht wurden. Hier müssen die Gerichte nach dem Beschluss des BGH in die Beweisaufnahme einsteigen und dürfen den Vorwurf nicht einfach als unsubstantiiert zurückweisen, wenn der Kläger ausreichende Anhaltspunkte für ein solches Verhalten geliefert hat.

Daimler muss sich zu Thermofenster äußern

„Das wird auch dazu führen, dass Daimler Farbe bekennen und sich zur Funktionsweise der Thermofenster äußern und auch darlegen muss, welche Informationen dem KBA vorgelegt wurden. Bisher hat Daimler in solchen Fällen den Gerichten nur größtenteils geschwärzte und damit unbrauchbare Unterlagen vorgelegt. Das muss sich ändern, wenn Daimler keine Verurteilung riskieren will“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.

Der BGH-Beschluss bedeutet auch, dass einige Oberlandesgerichte ihr Verhalten ändern müssen und den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung beispielsweise in Form eines Thermofensters als „Vortrag ins Blaue“ zurückweisen dürfen, wenn der Kläger hinreichende Anhaltspunkte für das  Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung und einer vorsätzlichen Schädigung geliefert hat.

BGH hebt Urteil auf – Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt

Genau das war in dem zu Grunde liegenden Fall aber geschehen. Der Kläger hatte 2012 einen Mercedes 220 CDI gekauft. In dem Fahrzeug ist der Dieselmotor des Typs OM 651 mit der Abgasnorm Euro 5 verbaut. Einen Rückruf durch das KBA gab es für dieses Modell nicht. Der Kläger machte dennoch Schadenersatzansprüche geltend. Bei der Abgasrückführung komme ein Thermofenster zum Einsatz. Dies führe dazu, dass die Abgasrückführung bei Außentemperaturen unter 10 Grad reduziert und schließlich ganz abgeschaltet werde. Folge sei, dass der Stickoxid-Ausstoß steigt. Gegenüber dem KBA habe Daimler zu dieser Funktion unzutreffende Angaben gemacht, argumentierte der Kläger. Seine Klage hatte in den ersten Instanzen keinen Erfolg.

Der BGH hat nun auf Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers das Urteil aufgehoben. Das OLG Köln hätte die Klage nicht einfach zurückweisen dürfen. Damit habe es den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, rügte der BGH. Das OLG hätte sich mit den Vorwürfen des Klägers, dass Daimler die Unzulässigkeit des Thermofensters bewusst war und gegenüber dem KBA unzutreffende Angaben zur Arbeitsweise der Abgasrückführung gemacht hat, auseinandersetzen müssen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür habe der Kläger geliefert, so der BGH.

Sittenwidrigkeit und Thermofenster

Der BGH bestätigte zwar die Ansicht, dass der Einsatz eines Thermofensters alleine nicht ausreicht, um Schadenersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu begründen. Dies sei jedoch anders, wenn sich herausstellt, dass die für den Hersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein agierten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden und diesen Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben, führte der BGH aus. Das OLG Köln muss den Fall nun unter diesen Gesichtspunkten neu aufrollen.

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„Hat Daimler das KBA nicht über den Einsatz des Thermofensters aufgeklärt, kann Sittenwidrigkeit vorliegen. Man darf gespannt sein, ob Daimler nun aussagekräftige Unterlagen zur Korrespondenz mit dem KBA vorlegt“, so Rechtsanwalt Gisevius.

Oberlandesgerichte verurteilen Daimler

Im Mercedes-Abgasskandal geht es nicht nur um Thermofenster. Daimler hat auch andere Abschalteinrichtungen wie z.B. die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung verwendet. „Hier haben beispielsweise die Oberlandesgerichte Köln und Naumburg Daimler schon wegen sittenwidriger Schädigung zu Schadensersatz verurteilt“, so Rechtsanwalt Gisevius.

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Aktuelles

Die VW-Tochter Seat muss wegen der Verwendung eines unzulässigen Thermofensters bei der Abgasreinigung rund 5.300 Fahrzeuge in Deutschland in die Werkstatt rufen. Konkret betroffen von dem Rückruf, der unter dem Aktionscode 23X0 durchgeführt wird, ist der Seat Ibiza der Baujahre 2011 bis 2015.

Audi muss allein in Deutschland erneut über 50.000 Fahrzeuge wegen der Verwendung eines Thermofensters bei der Abgasreinigung zurückrufen. Der Rückruf wird unter dem Aktionscode 23DW durchgeführt und betrifft nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) vom 25. November 2024 Fahrzeuge des Typs Audi A4, A5, A6, A7, A8, Q5 und Q7 der Baujahre 2010 bis 2017.

Audi muss im Zusammenhang mit unzulässigen Abschalteinrichtungen einen weiteren Rückruf unter dem Aktionscode 23BK starten. Diesmal sind nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) vom 20. November 2024 Modelle des Audi A4, A6, A8 und Q7 der Baujahre 2005 bis 2010 betroffen.

Halter eines VW Caddy erhalten derzeit Post und werden aufgefordert, ihr Fahrzeug in die Werkstatt zu bringen. Anlass für den Rückruf unter dem Aktionscode 23EN ist nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) eine unzulässige Abschalteinrichtung im Emissionskontrollsystem der betroffenen Fahrzeuge.

Unter dem Aktionscode ARB9 bzw. ARC1 und ARC2 werden erneut Modelle des Porsche Cayenne in die Werkstatt gerufen. Grund für den Rückruf ist nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts vom 20. November 2024 die Entfernung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems.

Auch bei VW-Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 288 können im Abgasskandal Ansprüche auf Schadenersatz bestehen. Das hat der BGH mit Urteil vom 25. September 2024 bestätigt (Az.: VIa ZR 871/22).