Der Bundesgerichtshof macht im Mercedes-Abgasskandal weiter Druck. Liefert der Kläger hinreichend konkrete Hinweise auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung, müsse das Gericht dem nachgehen, machte der BGH mit Urteil vom 13. Juli 2021 klar (Az.: VI ZR 128/20) und hob ein Urteil des OLG Koblenz auf.
Das OLG Koblenz hatte die Schadenersatzklage eines Mercedes-Käufers abgewiesen und muss den Fall nun neu verhandeln (Az.: 12 U 1408/18).
In dem Verfahren ging es um einen Mercedes C 220 CDI mit dem Dieselmotor des Typs OM 651 und der Schadstoffklasse Euro 5. Der Kläger hatte das Fahrzeug 2012 als Neuwagen erworben. Für das Modell liegt zwar kein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) vor, der Kläger machte dennoch Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen geltend. Neben einem Thermofenster bei der Abgasrückführung kämen noch weitere unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz.
Das OLG Koblenz wies die Klage ab. Der Kläger habe keinen Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.
Der BGH bestätigte zwar die Auffassung des OLG Koblenz, dass die Verwendung eines Thermofensters allein nicht ausreicht, um Schadenersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu begründen. Allerdings habe der Kläger hinreichend greifbare Anhaltspunkte dafür geliefert, dass in seinem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen, z.B. in Gestalt der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung zum Einsatz kämen. Das KBA hatte wegen dieser Funktion den Rückruf für verschiedene Mercedes-Modelle angeordnet. Das OLG Koblenz hätten diesen Hinweisen nachgehen müssen, so der BGH, der den Fall daher an das Berufungsgericht zurückverwies.
„Im Mercedes-Abgasskandal geht es schon lange nicht mehr nur ums Thermofenster. Das KBA hat verschiedene Funktion bemängelt und deshalb den Rückruf für eine Reihe von Mercedes-Modellen abgeordnet“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Nach der BGH-Entscheidung ist klar, dass die Gerichte die Vorwürfe einer unzulässigen Anschalteinrichtung nicht einfach als Vortrag „ins Blaue hinein“ abweisen dürfen, wenn der Kläger ausreichende Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung liefert. Ein Rückruf des KBA ist dafür keine Voraussetzung.
„Die Entscheidung des BGH wird Signalwirkung haben“, ist sich Rechtsanwalt Gisevius sicher. Sie sollte auch geschädigte Mercedes-Fahrer, die sich nicht an der geplanten Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale beteiligen können, Mut machen, ihre Ansprüche geltend zu machen.
Die Musterfeststellungsklage gegen Daimler umfasst ohnehin nur GLC- und GLK-Modelle. Die C-Klasse des Klägers in dem Verfahren vor dem BGH wäre wie viele andere Modelle gar nicht von der Musterklage erfasst.
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