Im Wohnmobil-Abgasskandal hat das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 12. Mai 2022 nicht nur Fiat Chrysler (FCA), sondern auch den Hersteller Knaus Tabbert zu Schadenersatz verurteilt (Az.: 20 O 58/21). Nach Überzeugung des Gerichts kommt in einem Wohnmobil des Typs Boxstar 630 ME Freeway eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz. Fiat als Motorenhersteller und Knaus Tabbert als Hersteller des Wohnmobils ständen dafür als Gesamtschuldner in der Haftung, so das LG Stuttgart.
Die Klägerin hatte das Wohnmobil des Typs Boxstar 630 ME Freeway des Herstellers Knaus Tabbert 2017 gekauft. Der Camper basiert auf einem Fiat Ducato mit 2,3-Liter-Motor und der Abgasnorm Euro 6. Die Klägerin führte an, dass in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz komme. So werde u.a. die Abgasreinigung nach 22 Minuten abgeschaltet. Damit sei sie gerade lange genug für den Test im Prüfzyklus aktiv. So würden die Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß im Prüfmodus zwar eingehalten, im realen Straßenverkehr jedoch überschritten.
Das LG Stuttgart entschied, dass die Klägerin gemäß § 823 BGB einen Anspruch auf Schadenersatz gegen Knaus Tabbert und Fiat Chrysler habe. Das Wohnmobil halte die Grenzwerte für den Emissionsausstoß unter normalen Betriebsbedingungen nicht ein. Auch die Beklagten hätten sich nur darauf berufen, dass die Grenzwerte im Testverfahren eingehalten werden. Das reiche aber nicht aus. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung müssen die Grenzwerte auch im realen Fahrbetrieb unter normalen Betriebsbedingungen eingehalten werden, stellte das Gericht klar.
Gemäß der europäischen Verordnung (EG) Nr. 715/2007 habe der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten, dass es unter normalen Betriebsbedingungen die Grenzwerte einhält. Der Hersteller werde direkt in die Pflicht genommen, so das LG Stuttgart. Fiat und Knaus Tabbert hätten das Fahrzeug produziert und in den Verkehr gebracht. Somit stünden auch beide in der Verantwortung.
Das Fahrzeug habe die EG-Typengenehmigung erhalten, obwohl die erforderlichen Voraussetzungen, nämlich das Einhalten der Emissionsgrenzwerte unter normalen Betriebsbedingungen, nicht erfüllt sind. Daher drohe dem Fahrzeug der Verlust der Zulassung, führte das LG Stuttgart aus. Der Klägerin sei daher schon mit Abschluss des Kaufvertrags ein Schaden entstanden. Sie habe Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs könne sie die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer verlangen, entschied das Gericht.
„Auch wenn bislang keine Rückrufe des Kraftfahrt-Bundesamts für Wohnmobile wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegen, hat inzwischen eine Reihe von Gerichten den betroffenen Besitzern Schadenersatz zugesprochen“, sagt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Möglich ist nicht nur die Rückabwicklung des Kaufvertrags, sondern nach der Rechtsprechung des BGH auch der sog. kleine Schadenersatz. Dabei kann der Kläger das Fahrzeug behalten, hat aber Anspruch auf die Minderung des Kaufpreises. Gerade bei Wohnmobilen kann das eine interessante Option sein.
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