Der Käufer eines Mercedes Vito bekommt Schadenersatz im Abgasskandal. Das hat das OLG Rostock mit Urteil vom 31. Mai 2024 entschieden (Az.: 8 U 188/22). Das Oberlandesgericht kam zu der Überzeugung, dass in dem Mercedes Vito unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet werden und der Kläger daher Anspruch auf Ersatz des sog. Differenzschadens in Höhe von sieben Prozent der Kaufpreises habe.
Der Kläger hatte den Mercedes Vito 122 CDI im Januar 2014 als Gebrauchtfahrzeug zum Preis von knapp 27.000 Euro gekauft. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs OM 642 ausgestattet und nach der Abgasnorm Euro 5 zugelassen. Das Modell verfügt über die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR). Außerdem kommt ein Thermofenster bei der Abgasreinigung zum Einsatz.
Der Kläger machte Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in Form der KSR und eines Thermofensters, das schon bei Umgebungslufttemperaturen unterhalb von 7 Grad für eine Reduzierung der Abgasreinigung sorge, geltend.
Ein verpflichtender Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) lag für das Modell zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. Allerdings bot Mercedes ein freiwilliges Software-Update an, um die Stickoxid-Emissionen zu verbessern. Das Update ließ der Kläger im Mai 2023 aufspielen. Dabei wurde die KSR entfernt. Im Dezember 2023 folgte doch noch ein Rückruf wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen durch das KBA.
Das OLG Rostock sprach dem Kläger im Berufungsverfahren Schadenersatz zu. In dem Fahrzeug käme eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form der KSR und eines Thermofensters bei der Abgasrückführung zum Einsatz.
Eine unzulässige Abschalteinrichtung liege vor, wenn durch diese Funktion die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystem schon unter üblichen Betriebsbedingungen reduziert werde. Dies sei hier der Fall, denn die Abgasreinigung werde durch das Thermofenster schon bei Temperaturen, die innerhalb der EU üblich sind, reduziert. Selbst nach dem Update stelle die Ausgestaltung des Thermofensters noch eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, machte das OLG deutlich. Denn dadurch werde die Abgasrückführung bei betriebswarmen Motor bei Temperaturen unter -10 und über 52 Grad reduziert. Damit werde die Abgasreinigung weiterhin in einem Minustemperaturbereich reduziert, der nach Auffassung des Gerichts im Gebiet der Europäischen Union üblich ist. Ebenso stelle auch die KSR eine unzulässige Abschalteinrichtung dar.
Mercedes könne aber keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorgeworfen werden, so dass der Kläger keinen Anspruch auf die vollständige Rückabwicklung des Kaufvertrags habe, so das OLG. Allerdings habe Mercedes eine Übereinstimmungsbescheinigung für das Fahrzeug ausgestellt und dadurch bestätigt, dass es den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Das sei aber durch die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht der Fall. Mercedes habe den Kläger somit zumindest fahrlässig geschädigt und könne sich auch nicht auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen. Nach der Rechtsprechung des BGH habe der Kläger daher Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens. „Der BGH hat mit Urteil vom 26. Juni 2023 entschieden, dass Schadenersatzansprüche im Abgasskandal schon bei Fahrlässigkeit des Autobauers bestehen. Dieser Rechtsprechung ist das OLG Rostock gefolgt“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Der Differenzschaden beträgt nach der Rechtsprechung des BGH zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises. Das OLG Rostock bezifferte ihn im vorliegenden Fall auf 7 Prozent. Eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer wird nicht abgezogen und das Fahrzeug kann der Kläger behalten.
„Der BGH hat mit seiner verbraucherfreundlichen Rechtsprechung vom Juni 2023 die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen im Abgasskandal erleichtert. Geschädigte Käufer haben immer noch die Chance, ihre Ansprüche geltend zu machen“, so Rechtsanwalt Gisevius.
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