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OLG Schleswig-Holstein macht Druck im Mercedes-Abgasskandal

Der Druck auf Daimler im Abgasskandal wächst. Thermofenster bei der Abgasrückführung und Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung könnten als unzulässige Abschalteinrichtung angesehen und dem Käufer daher Schadensersatz zustehen, befand das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht mit Urteil vom 28. August 2020 (Az.: 1 U 137/19).

Das OLG Schleswig-Holstein hat damit das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Fall zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Lübeck zurückverwiesen. Dieses hatte die Schadensersatzklage noch abgewiesen.

Der Kläger in dem zu Grunde liegenden Fall hatte 2015 einen gebrauchten Mercedes C 300 CDI gekauft. In dem Pkw wird der Dieselmotor OM 642 mit der Schadstoffklasse Euro 5 verwendet. Der Stickoxid-Ausstoß wird hier über die Abgasrückführung reduziert. Dabei wird die Abgasrückführung über ein sog. Thermofenster reguliert. Liegen die Außentemperaturen über oder unter diesem festgelegten Korridor wird die Abgasrückführung mit der Folge reduziert, dass der Emissionsausstoß steigt.

Ein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts für das Modell liegt nicht vor, Daimler bietet aber eine freiwillige Service-Maßnahme an, um den Stickoxid-Ausstoß im realen Straßenverkehr zu reduzieren. Der Kläger machte Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung geltend.

Das Landgericht Lübeck wies die Klage ab. Der Kläger habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass in seinem Mercedes C 300 CDI eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet wird. Der Vortrag sei „ins Blaue“ erfolgt.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hob die Entscheidung wieder auf. Dem Kläger könne Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zustehen.

Das OLG führte aus, dass ein Thermofester eine Abschalteinrichtung in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur darstelle. Durch sie werde die Abgasrückführung schon bei Außentemperaturen reduziert, die in Europa nicht ungewöhnlich sind, so das OLG. Auch die verwendete Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung wäre als Abschalteinrichtung zu bewerten, da sie auf dem Prüfstand zur Einhaltung der Grenzwerte beim Stickoxid-Ausstoß beitrage, im Straßenverkehr aber nicht aktiviert sei, führte das OLG weiter aus.

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Wegen der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung seien andere Mercedes-Modelle bereits vom Kraftfahrt-Bundesamt zurückgerufen worden, weil die Behörde die Funktion als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft hat. Auch das Thermofenster könnte unzulässig sein, wenn es nicht aus Gründen des Motorschutzes notwendig ist, erklärte das OLG.

Das Landgericht habe die Klage daher nicht als Vortrag „ins Blaue hinein“ abweisen dürfen und hätte in die Beweisaufnahme einsteigen müssen. Es hätte den vom Kläger angebotenen Sachverständigenbeweis annehmen müssen. Der Kläger habe hinreichend substantiiert zum möglichen Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen.

Liege eine unzulässige Abschalteinrichtung vor, sei der Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden. Denn es sei davon auszugehen, dass er das Fahrzeug bei Kenntnis einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht gekauft hätte, so das OLG Schleswig-Holstein. Das LG Lübeck muss nun neu entscheiden.

„Dabei dürfte es Daimler schwerfallen, das Gericht von der Zulässigkeit der Abschalteinrichtungen zu überzeugen“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte. Denn die EuGH-Generalanwältin Eleanora Sharpston hat Ende April deutlich gemacht, dass sie Abschalteinrichtungen grundsätzlich für unzulässig hält, wenn sie zu einem höheren Schadstoffausstoß im realen Straßenverkehr führen. Ausnahmen seien nur in sehr engen Grenzen und nur zum unmittelbaren Schutz des Motors vor Beschädigung möglich. „Funktionen wie beispielsweise das Thermofenster, die den Motor langfristig vor Versottung schützen sollen, zählen demnach nicht zu den zulässigen Ausnahmen“, so Rechtsanwalt Gisevius.

Die Kanzlei BRÜLLMANN Rechtsanwälte ist Kooperationspartner der IG Dieselskandal und bietet Ihnen eine kostenlose Ersteinschätzung Ihrer Möglichkeiten an. Sprechen Sie uns an.

Mehr Informationen: https://bruellmann.de/abgasskandal

 

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Aktuelles

Audi beginnt mit einem groß angelegten Rückruf, von dem weltweit rund 600.000 Fahrzeuge und in Deutschland ca. 180.000 Fahrzeuge betroffen sind. Grund für die Rückrufe ist die Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen bzw. Probleme bei der Abgasrückführung (AGR). Audi führt die Rückrufe unter den Codes 23BK und 23DW durch.

Die Skoda-Modelle Fabia und Roomster der Baujahre 2008 bis 2015 sind von einem Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen. Der Rückruf wird unter dem Hersteller-Code 23FG durchgeführt und vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) überwacht.

Die VW-Tochter Seat muss wegen der Verwendung eines unzulässigen Thermofensters bei der Abgasreinigung rund 5.300 Fahrzeuge in Deutschland in die Werkstatt rufen. Konkret betroffen von dem Rückruf, der unter dem Aktionscode 23X0 durchgeführt wird, ist der Seat Ibiza der Baujahre 2011 bis 2015.

Audi muss allein in Deutschland erneut über 50.000 Fahrzeuge wegen der Verwendung eines Thermofensters bei der Abgasreinigung zurückrufen. Der Rückruf wird unter dem Aktionscode 23DW durchgeführt und betrifft nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) vom 25. November 2024 Fahrzeuge des Typs Audi A4, A5, A6, A7, A8, Q5 und Q7 der Baujahre 2010 bis 2017.

Audi muss im Zusammenhang mit unzulässigen Abschalteinrichtungen einen weiteren Rückruf unter dem Aktionscode 23BK starten. Diesmal sind nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) vom 20. November 2024 Modelle des Audi A4, A6, A8 und Q7 der Baujahre 2005 bis 2010 betroffen.

Halter eines VW Caddy erhalten derzeit Post und werden aufgefordert, ihr Fahrzeug in die Werkstatt zu bringen. Anlass für den Rückruf unter dem Aktionscode 23EN ist nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) eine unzulässige Abschalteinrichtung im Emissionskontrollsystem der betroffenen Fahrzeuge.