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OLG Stuttgart verurteilt Mercedes im Abgasskandal zu Schadenersatz

Mercedes musste im Abgasskandal erneut eine Niederlage vor einem Oberlandesgericht hinnehmen. Wie schon das OLG Hamm kam auch das OLG Stuttgart zu der Auffassung, dass die sog. Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt und Mercedes zumindest fahrlässig gehandelt habe. Daher verurteilte das OLG Stuttgart Mercedes mit Urteil vom 19. Oktober 2023 zu Ersatz des Differenzschadens (Az.: 24 U 103/22). Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Das OLG Stuttgart folgte mit dieser Entscheidung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 21. März 2023 (Az.: C-100/21) und des Bundesgerichtshofs vom 26. Juni 2023 (Aktenzeichen VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22). Diese hatten entschieden, dass Schadenersatzansprüche im Abgasskandal schon bei Fahrlässigkeit des Autoherstellers bestehen. „Damit muss den Autoherstellern keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung mehr nachgewiesen werden. Die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen hat sich dadurch erleichtert“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.

In dem Verfahren vor dem OLG Stuttgart ging es um einen Mercedes mit Dieselmotor des Typs OM 642 und der Abgasnorm Euro 5. Der Kläger machte Schadenersatzansprüche geltend, weil Mercedes in dem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut habe, u.a. in Form der sog. Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR). Die KSR sorgt dafür, dass der Kühlmittelkreislauf kühler gehalten und die Erwärmung des Motoröls verzögert wird. Dadurch wird der Stickoxid-Ausstoß reduziert. Allerdings ist die KSR überwiegend unter Bedingungen wie sie im Prüfmodus herrschen aktiv und ist unter normalen Betriebsbedingungen zumeist deaktiviert, so dass der Emissionsausstoß steigt.

Der EuGH hat klargestellt, dass Abschalteinrichtungen, die unter normalen Betriebsbedingungen die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringern, unzulässig sind, sofern sie nicht notwendig sind, um den Motor vor unmittelbaren Beschädigungen zu schützen. Das ist bei der KSR nicht der Fall. Das OLG Stuttgart bewertete die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung daher als unzulässige Abschalteinrichtung.

Mercedes könne aber keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorgeworfen werden, daher könne der Kläger nicht die vollständige Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen. Er habe nach der Rechtsprechung des BGH aber Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens, da Mercedes zumindest fahrlässig gehandelt habe. Der Differenzschaden beträgt nach Rechtsprechung des BGH zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises. Zudem kann der Käufer das Fahrzeug behalten.

„Mercedes hat die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung in einer ganzen Reihe von Modellen verwendet. Betroffene Mercedes-Käufer haben gute Chancen, Schadenersatzansprüche durchzusetzen, wie die Urteile des OLG Stuttgart und des OLG Hamm zeigen“, so Rechtsanwalt Gisevius.

Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung eines Thermofensters sah das OLG Stuttgart hingegen nicht. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe die flächendeckend eingesetzten Thermofenster zumindest bis ins Jahr 2020 nicht beanstandet. Daher könne Mercedes sich hier auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen. „Das Thermofenster bleibt ein Streitpunkt. Andere Gerichte haben in diesem Punkt anders entschieden als das OLG Stuttgart und Schadenersatz zugesprochen. Bei Mercedes-Fahrzeugen mit der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung ist das jedoch nicht entscheidend, da Schadenersatzansprüche schon durch die Verwendung der KSR bestehen“, so Rechtsanwalt Gisevius.

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Aktuelles

Die VW-Tochter Seat muss wegen der Verwendung eines unzulässigen Thermofensters bei der Abgasreinigung rund 5.300 Fahrzeuge in Deutschland in die Werkstatt rufen. Konkret betroffen von dem Rückruf, der unter dem Aktionscode 23X0 durchgeführt wird, ist der Seat Ibiza der Baujahre 2011 bis 2015.

Audi muss allein in Deutschland erneut über 50.000 Fahrzeuge wegen der Verwendung eines Thermofensters bei der Abgasreinigung zurückrufen. Der Rückruf wird unter dem Aktionscode 23DW durchgeführt und betrifft nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) vom 25. November 2024 Fahrzeuge des Typs Audi A4, A5, A6, A7, A8, Q5 und Q7 der Baujahre 2010 bis 2017.

Audi muss im Zusammenhang mit unzulässigen Abschalteinrichtungen einen weiteren Rückruf unter dem Aktionscode 23BK starten. Diesmal sind nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) vom 20. November 2024 Modelle des Audi A4, A6, A8 und Q7 der Baujahre 2005 bis 2010 betroffen.

Halter eines VW Caddy erhalten derzeit Post und werden aufgefordert, ihr Fahrzeug in die Werkstatt zu bringen. Anlass für den Rückruf unter dem Aktionscode 23EN ist nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) eine unzulässige Abschalteinrichtung im Emissionskontrollsystem der betroffenen Fahrzeuge.

Unter dem Aktionscode ARB9 bzw. ARC1 und ARC2 werden erneut Modelle des Porsche Cayenne in die Werkstatt gerufen. Grund für den Rückruf ist nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts vom 20. November 2024 die Entfernung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems.

Auch bei VW-Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 288 können im Abgasskandal Ansprüche auf Schadenersatz bestehen. Das hat der BGH mit Urteil vom 25. September 2024 bestätigt (Az.: VIa ZR 871/22).