Ein Mandant von Brüllmann Rechtsanwälte kann aufatmen: Er erhält 23.800 Euro zurück, die er für ein Online-Coaching gezahlt hatte. Außerdem muss er keine weiteren Zahlungen aus dem Vertrag mehr leisten. Das hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 29. August 2024, Az. 13 U 176/23, (nicht rechtskräftig) so entschieden.
„Das OLG Stuttgart ist unserer Argumentation gefolgt, dass der geschlossene Vertrag über das Online-Coaching gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz verstößt und daher nichtig ist“, sagt Rechtsanwalt Hansjörg Looser, der das Urteil erstritten hat.
Sein Mandant hatte mit der Prozessreich GmbH einen Vertrag über die Teilnahme an einem „9-Monats-Business-Mentoring-Programm Finanzielle Fitness“ geschlossen. Preis für das Coaching: 40.000 Euro plus Mehrwertsteuer. Das Coaching erfüllte die Erwartungen des Klägers nicht. Daher versuchte er nach sieben Wochen den Vertrag zu kündigen – ohne Erfolg. „Wir haben für unseren Mandanten dann die fristlose Kündigung und Anfechtung des Vertrags erklärt und schließlich Klage eingereicht, weil der Vertrag nach unserer Auffassung sittenwidrig ist und gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz verstößt“, so Rechtsanwalt Looser. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Mandant bereits 23.800 Euro für das Coaching bezahlt, der Rest sollte in Kürze folgen. „Das Geld haben wir zurückgefordert“, so Rechtsanwalt Looser.
Kläger erhält 23.800 Euro zurück
Nachdem die Klage in erster Instanz noch gescheitert war, hatte sie im Berufungsverfahren am OLG Stuttgart Erfolg. Das Oberlandesgericht stellte fest, dass der Vertrag gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) verstößt und schon deshalb nichtig sei. Der Kläger habe daher Anspruch auf Rückzahlung des bereits geleisteten Beitrags in Höhe von 23.800 Euro und müsse keine weiteren Zahlungen mehr leisten.
Das OLG Stuttgart machte deutlich, dass der Vertrag über das Coaching unter das Fernunterrichtsschutzgesetz falle. Gegen Zahlung der Gebühr sei die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten vereinbart worden. Auch das Merkmal der überwiegend räumlichen Trennung sei gegeben, da das Coaching zum großen Teil durch Online-Meetings und Lehrvideos stattfinden sollte. Auch bei Online-Unterricht sei eine räumliche Trennung gegeben, machte das Gericht deutlich. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass bei Videokonferenzen eine synchrone Kommunikation wie bei Präsenzveranstaltungen möglich ist.
Teilnehmer sollen vor unseriösen Coaching-Angeboten geschützt werden
Priorität genieße es, die Teilnehmer vor unseriösen Angeboten zu schützen. Dieses Risiko sei bei Videokonferenzen erheblich größer als bei Präsenzveranstaltungen, so das OLG weiter. Bei Präsenzveranstaltungen sei die soziale Kontrolle durch die Gruppe wesentlich größer, da die Teilnehmer bei schlechter Qualität unmittelbar ihren Unmut äußern und sich austauschen können. Zudem würden für die Veranstalter Kosten, z.B. für die Raummiete entstehen, was unseriöse Anbieter abschrecken könne, führte das Gericht aus.
Zudem beinhalte das Programm auch eine Überwachung des Lernerfolgs. Dies sei schon gegeben, wenn der Teilnehmer den Coaches Fragen zum Unterrichtsstoff stellen und dadurch seinen individuellen Lernerfolg kontrollieren kann. Diese Möglichkeit habe hier in den Online-Meetings oder eine Facebook-Gruppe bestanden. Zudem sei in der Programmbeschreibung an mehreren Stellen hervorgehoben, dass es nicht nur um die Wissensvermittlung, sondern auch um die erfolgreiche Umsetzung des Erlernten und die Erzielung bestimmter Ergebnisse geht, so das OLG Stuttgart.
Vertrag wegen Verstoß gegen Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nichtig
Somit seien die Voraussetzungen erfüllt, dass der Vertrag unter das Fernunterrichtsschutzgesetz fällt. Daraus folgt, dass der beklagte Anbieter über eine Zulassung für Fernlehrgänge verfügen muss. Da diese Zulassung unstreitig nicht vorliege, sei der Vertrag gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig. Der Kläger habe somit Anspruch auf die Rückzahlung der erbrachten Leistungen in Höhe von 23.800 Euro und müsse keine weiteren Zahlungen aus dem Vertrag leisten, entschied das OLG Stuttgart.
Auf die Frage, ob der Vertrag auch sittenwidrig und dadurch nichtig ist, weil Preis und Leistung in einem groben Missverhältnis stehen, kam es nicht mehr an. Das OLG Stuttgart, das die Revision zum BGH zugelassen hat, machte in der Verhandlung aber deutlich, dass es auch der Frage der Sittenwidrigkeit durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgehen wird, falls der BGH in einem möglichen Revisionsverfahren zu einer anderen Entscheidung hinsichtlich eines Verstoßes gegen das FernUSG kommen sollte.
„Teilnehmer verbinden oft große Hoffnungen mit einem Online-Coaching und legen dafür zum Teil viel Geld auf den Tisch. Umso enttäuschter sind sie, wenn das Online-Coaching die Erwartungen nicht erfüllt. Das Urteil des OLG Stuttgart und auch die Entscheidungen anderer Gerichte zeigt aber, dass die Teilnehmer Möglichkeiten haben, aus dem Vertrag auszusteigen“, so Rechtsanwalt Looser.
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