Wegen eines verbauten Thermofensters wollte der Käufer eines VW Tiguan mit dem Dieselmotor EA 288 im Abgasskandal auf Schadenersatz klagen. Die Auxilia Rechtsschutzversicherung weigerte sich, die Kosten zu übernehmen. Das Landgericht Rottweil machte der Versicherungsgesellschaft mit Urteil vom 27. April 2023 jedoch einen Strich durch die Rechnung (Az.: 3 O 63/23). Da die Schadenersatzklage hinreichende Erfolgsaussichten habe, sei die Rechtsschutzversicherung eintrittspflichtig.
Der Motor des Typs EA 288 ist das Nachfolgemodell des durch den VW-Dieselskandal hinlänglich bekannt gewordenen Motors des Typs EA 189. VW steht auf dem Standpunkt, dass es bei diesem Motor keine unzulässigen Abschalteinrichtungen gibt, verschiedene Gerichte sehen das jedoch anders.
In dem vorliegenden Fall wollte ein Käufer, der 2017 einen VW Tiguan mit dem Motor EA 288 erworben hatte, Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen, u.a. wegen eines Thermofensters geltend machen. Die Auxilia Rechtsschutzversicherung verweigerte allerdings die Deckungszusage mit dem Hinweis auf mangelnde Erfolgsaussichten.
Das sah das LG Rottweil jedoch anders. Zwar sei die Rechtsprechung bei Fahrzeugen mit dem Motor EA 288 nicht einheitlich. Das Oberlandesgericht Naumburg habe Schadenersatzansprüche bspw. bejaht. Daher habe eine Klage ausreichende Erfolgsaussichten und die Rechtsschutzversicherung müsse die Kosten übernehmen, so das Gericht.
Die Erfolgsaussichten bei Schadenersatzklagen gegen VW sind nach der aktuellen verbraucherfreundlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sogar noch weiter gestiegen“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte. Der EuGH hat entschieden, dass auch Thermofenster unzulässige Abschalteinrichtungen darstellen. Zudem hat er mit Urteil vom 21. März 2023 deutlich gemacht, dass Schadenersatzansprüche schon bestehen, wenn der Autohersteller nur fahrlässig gehandelt hat (Az.: C-100/21).
„Damit hat der EuGH die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen im Abgasskandal erheblich erleichtert“, so Rechtsanwalt Gisevius. Denn bislang sind deutsche Gerichte davon ausgegangen, dass Schadenersatzansprüche erst dann bestehen, wenn der Autohersteller nicht nur fahrlässig, sondern vorsätzlich gehandelt hat. Rechtsanwalt Gisevius: „Der Nachweis des Vorsatzes ist häufig nur schwer möglich gewesen und ist nun nach der Rechtsprechung des EuGH auch nicht nötig.“ Der BGH hat bereits angedeutet, dass er der Rechtsprechung des EuGH folgen wird.
Die Chancen auf Schadenersatz sind damit auch bei der Verwendung des weit verbreiteten Thermofensters erheblich gestiegen.
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