Der BGH hat mit Urteil vom 19. Juni 2024 ein weiteres Mal deutlich gemacht, dass der Widerruf einer Lebensversicherung oder Rentenversicherung noch Jahre nach Abschluss möglich ist, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt wurde (Az.: IV ZR 401/22).
„Zu einer ordnungsgemäßen Aufklärung gehört nach der Rechtsprechung des BGH auch, dass die Widerspruchsbelehrung drucktechnisch hervorgehoben ist und nicht zwischen den anderen Vertragsunterlagen untergeht. Folge einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung ist, dass die Widerrufsfrist nie in Lauf gesetzt wurde und der Widerruf deshalb auch noch Jahre nach Abschluss der Police möglich ist“, sagt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
In dem zu Grunde liegenden Fall hatte der klagende Versicherungsnehmer in den Jahren 2002 und 2004 zwei Kapitallebensversicherungen nach dem sog. Policenmodell abgeschlossen. Den ersten Versicherungsvertrag mit einer ursprünglichen Laufzeit bis 2032 kündigte der Versicherungsnehmer 2020 und erhielt dafür den Rückkaufswert in Höhe von knapp 39.000 Euro vom Versicherer. Die zweite Lebensversicherung lief 2016 ab und an den Versicherungsnehmer wurden ca. 8.000 Euro ausgezahlt.
Im Jahr 2021 erklärte der Versicherungsnehmer den Widerspruch für beide Versicherungsverträge und verlangte vom Versicherer die Rückzahlung der eingezahlten Beiträge zuzüglich der gezogenen Nutzungen und abzüglich der Risikokosten und der bereits ausgezahlten Beträge.
Der Versicherer lehnte den Widerspruch ab und in den Vorinstanzen hatte die Klage des Versicherungsnehmers keinen Erfolg. Der BGH kam jedoch zu einer anderen Ansicht und hob das Urteil des OLG Frankfurt auf.
Zur Begründung führte der BGH aus, dass der Versicherungsnehmer beim Abschluss der ersten Lebensversicherung nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt wurde. Die Widerspruchsbelehrung sei schon deshalb fehlerhaft, weil sie drucktechnisch nicht deutlich hervorgehoben sei und im Fließtext untergehe, machte der BGH deutlich.
Darüber hinaus genüge auch die Widerspruchsbelehrung bei der zweiten Lebensversicherung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Hier sei die Belehrung zwar drucktechnisch hervorgehoben, aber unzureichend. In dem drucktechnisch hervorgehobenen Teil des Begleitschreibens heiße es, dass der Erhalt der Unterlagen für den Beginn der Widerspruchsfrist maßgeblich sei. Dabei werde aber nur auf den Versicherungsschein verwiesen. Für den Beginn der Widerspruchsfrist komme es aber genauso auf den Erhalt der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen an, machte der BGH deutlich. Dabei sei es ohne Belang, ob der Versicherungsnehmer diese Unterlagen mit dem Begleitschreiben erhalten habe, denn das ändere nichts an der inhaltlich fehlerhaften Belehrung.
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Der BGH stellte weiter klar, dass von einer Verwirkung des Widerspruchsrechts nur bei besonders gravierenden Umständen ausgegangen werden könne, die im Einzelfall festgestellt werden müssen. Dass beide Verträge bereits abgewickelt waren, sei kein besonders gravierender Umstand, der zu einem Ausschluss des Widerspruchsrechts führe. Auch wenn der Versicherungsnehmer mit dem Widerspruch in erster Linie den Zweck der Renditeoptimierung verfolge, sei dies kein gravierender Umstand, so der BGH.
„Beim Widerspruch einer Lebensversicherung werden keine Abschluss- oder Verwaltungskosten abgezogen. Dadurch ist er finanziell deutlich attraktiver als die Kündigung der Police, bei der der Versicherungsnehmer nur den in der Regel enttäuschenden Rückkaufswert erhält“, so Rechtsanwalt Seifert.
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