Für die Aktionäre der insolventen Wirecard AG gibt es die nächste schlechte Nachricht: Nach einem Beschluss des OLG Frankfurt vom 6. Februar 2023 haben sie keine Schadenersatzansprüche gegenüber der BaFin (Az.: 1 U 173/22). Für die Aktionäre ist die Entscheidung umso bitterer, da sie nach einem Urteil des Landgerichts München vom 23. November 2022 auch im Insolvenzverfahren keine Ansprüche anmelden können (Az. 29 O 7754/21).
„Trotz dieser Entscheidungen haben die Aktionäre immer noch Möglichkeiten, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Als Anspruchsgegner kommen beispielsweise die Wirtschaftsprüfer in Betracht, die der Wirecard AG jahrelang ihr Testat erteilt haben“, sagt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Neben den Wirtschaftsprüfern ist im Zuge des Wirecard-Skandals auch die Finanzaufsicht BaFin in den Fokus gerückt und die Frage, ob sie ihre Aufsichts- und Informationspflichten verletzt hat. Das OLG Frankfurt hat eine Haftung der BaFin gegenüber den Wirecard-Aktionären nun verneint. Anleger können die BaFin nicht auf Schadenersatz für erlittene Kursverluste in Anspruch nehmen, so das OLG.
Geklagt hatte ein Anleger, der 2019 und 2020 Aktien der Wirecard AG gekauft hatte. Wenig später flog der Wirecard-Skandal auf und es wurde bekannt, dass 1,9 Milliarden Euro in den Bilanzen des Konzerns vermutlich nie existiert haben. Die Wirecard-Aktie stürzte in der Folge in den Keller und die Aktionäre erlitten erhebliche Verluste.
Die Klage des Aktionärs gegen die BaFin wegen Aufsichts- und Informationsversäumnissen sowie Amtsmissbrauch blieb vor dem OLG Frankfurt wie auch schon in erster Instanz erfolglos. Die BaFin habe nicht gegen ihre Pflichten bei der Bilanzkontrolle verstoßen, so das OLG. Nach damaliger Rechtslage sei die Bilanzkontrolle ordnungsgemäß in einem zweistufigen System erfolgt – zunächst durch private Prüfer und dann durch die Bafin. Die Finanzaufsicht habe schließlich 2019 eine Sonderprüfung durch eine private Prüfstelle veranlasst. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass die BaFin schon früher hätte eingreifen müssen, führte das Gericht aus.
Zudem stehe einem Schadenersatzanspruch der Anleger wegen Amtspflichtverletzung der BaFin entgegen, dass die Finanzaufsicht bei der Bilanzkontrolle allein im öffentlichen Interesse tätig werde. Der einzelne Anleger werde dabei grundsätzlich nicht durch die bankaufsichtsrechtliche Tätigkeit der BaFin geschützt, so das OLG Frankfurt weiter.
Es bestünden auch keine Schadensersatzansprüche wegen Amtsmissbrauchs. Dass BaFin-Mitarbeiter Aktien der Wirecard AG besessen hatten, sei nicht sittenwidrig, so das OLG.
Teilnahme am Musterverfahren
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. „Es zeigt sich aber, dass es für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen geeignetere Anspruchsgegner als die BaFin gibt“, so Rechtsanwalt Seifert. In Betracht kommen u.a. die Wirtschaftsprüfer, die jahrelang die Bilanzen der Wirecard AG durchgewunken haben, obwohl die Zahlen nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft schon seit 2015 geschönt waren.
Anleger können mit einer Einzelklage ihre Schadenersatzansprüche geltend machen oder sich einem Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) anschließen. Das Musterverfahren wird am Bayerischen Obersten Landgericht geführt und richtet sich gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Wirecard AG und gegen die Wirtschaftsprüfer. In dem Verfahren soll geklärt werden, ob die Wirtschaftsprüfer ihre Pflichten vernachlässigt und sich schadenersatzpflichtig gemacht haben.
Das Musterverfahren bietet für die Aktionäre den Vorteil, dass sie sich ohne nennenswertes Prozesskostenrisiko anschließen können und die Verjährung von Schadenersatzansprüchen gehemmt wird. Die Anmeldung zur Teilnahme an dem Musterverfahren muss allerdings zwingend durch einen Rechtsanwalt erfolgen. BRÜLLMANN Rechtsanwälte bietet Wirecard-Anlegern eine kostenlose Ersteinschätzung ihrer rechtlichen Möglichkeiten an sowie die Möglichkeit, sich unverbindlich für eine Teilnahme am Musterverfahren registrieren zu lassen.
Mehr Informationen dazu unter https://www.wirecard-anwalt.de/
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