Im September 2015 flog der VW-Abgasskandal bekanntlich auf. Nun geht er praktisch von vorne los. Dafür hat der Europäische Gerichtshof am 14. Juli 2022 mit einem bahnbrechenden Urteil gesorgt (Az.: C-128/20, C-134/20, C-145/20). Der EuGH machte in seiner Entscheidung deutlich, dass er das im Dieselskandal viel diskutierte Thermofenster für unzulässig hält. Käufer betroffener Fahrzeuge könnten daher die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen.
Der EuGH hatte in den Verfahren über die Anfragen österreichischer Gerichte zur Zulässigkeit von Thermofenstern bei Dieselfahrzeugen von VW zu entscheiden. Diese sorgten dafür, dass die Abgasrückführung reduziert wird, wenn die bei Außentemperaturen unter 15 oder über 33 Grad liegen, wenn das Auto in Höhenlagen über 1000 Meter unterwegs ist. Folge ist ein Anstieg der Stickoxid-Emissionen über die zulässigen Grenzwerte hinaus.
Wie der EuGH schon in einem früheren Urteil festgestellt hat, sind Abschalteinrichtungen nur dann ausnahmsweise zulässig, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Funktionen, die den Motor eher langfristig vor Verschleiß schützen, zählen nicht zu den zulässigen Ausnahmen. Beim Thermofenster könne eine Ausnahme gelten, wenn es nachweislich dem Schutz des Motors vor schweren Risiken diene, die eine Gefahr während der Fahrt darstellten. Aber auch dann wäre eine Abschalteinrichtung immer noch unzulässig, wenn sie den Großteil des Jahres unter normalen Betriebsbedingungen aktiv ist. „Davon ist auszugehen, da die Durchschnittstemperatur in den meisten europäischen Ländern unter 15 Grad liegt“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Besonders brisant für VW: Nachdem die Abgasmanipulationen bei Dieselfahrzeugen der Konzernmarken VW, Audi, Seat und Skoda aufgeflogen waren, folgte ein Rückruf für rund 2,4 Millionen betroffene Fahrzeuge allein in Deutschland. Die unzulässige Abschalteinrichtung wurde entfernt und ein Software-Update aufgespielt. „Mit dem Software-Update wurde auch ein Thermofenster bei der Abgasreinigung installiert. Das bedeutet nach dem Urteil des EuGH, dass die Fahrzeuge erneut mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterwegs sind“, sagt Rechtsanwalt Gisevius.
Dabei reicht die Entscheidung des EuGH noch viel weiter: Denn auch im Dieselmotor des Typs EA 288, dem Nachfolgemodell des EA 189, wird ein Thermofenster verwendet. Auch zahlreiche andere Hersteller wie z.B. Mercedes setzen ein Thermofenster bei der Abgasreinigung ein. „Auch sie dürften mit unzulässigen Abschalteinrichtungen unterwegs sein. In letzter Konsequenz könnte den Fahrzeugen der Verlust der Zulassung drohen“, so Rechtsanwalt Gisevius.
Betroffene Käufer haben die Möglichkeit Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Rückenwind dafür kommt vom EuGH. Generalanwalt Rantos hat in einem Verfahren am 2. Juni deutlich gemacht, dass er einen Schadenersatzanspruch schon für gerechtfertigt hält, wenn der Autohersteller nur fahrlässig gehandelt hat. „Vorsatz und Sittenwidrigkeit müssen dann nicht mehr nachgewiesen werden. Das erleichtert die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen im Abgasskandal“, erklärt Rechtsanwalt Gisevius.
Die Kanzlei BRÜLLMANN Rechtsanwälte ist Kooperationspartner der IG Dieselskandal und bietet Ihnen eine kostenlose Ersteinschätzung Ihrer Möglichkeiten an. Sprechen Sie uns an.
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