Im Abgasskandal haben grundsätzlich auch die Besitzer von Wohnmobilen Anspruch auf Schadenersatz, wenn in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz kommt. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 27. November 2023 deutlich gemacht (Az.: VIa ZR 1425/22). In dem Verfahren ging es um ein Wohnmobil Sunlight A 68, das auf einem Fiat Ducato basiert.
„Verschiedene Modelle des Fiat Ducato sind bei Abgasmessungen des Kraftfahrt-Bundesamts oder auch der Deutschen Umwelthilfe mit hohen Abgaswerten, die die Grenzwerte zum Teil deutlich überschreiten, aufgefallen. Nach dem Urteil des BGH ist klar, dass die Besitzer Anspruch auf Schadenersatz haben, wenn eine unzulässige Abschalteinrichtung in dem Fahrzeug verbaut ist“, sagt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLLMANN Rechtsanwälte. Der BGH hat in dem Verfahren seine Rechtsprechung vom 26. Juni 2023 konsequent fortgesetzt, nach der Schadenersatzansprüche im Abgasskandal schon bei Fahrlässigkeit des Autoherstellers bestehen.
Wohnmobil auf Basis eines Fiat Ducato
In dem Verfahren vor dem BGH hatte der Kläger das Wohnmobil Sunlight A 68 im April 2018 als Neufahrzeug gekauft. Der Camper baut auf einem Fiat Ducato mit dem Dieselmotor des Typs 2,3 Liter Multijet II mit 96 kw und der Abgasnorm Euro 6 auf. Die EG-Typengenehmigung für den Fiat Ducato wurde von der Zulassungsbehörde in Italien erteilt.
Der Kläger machte Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung geltend. So komme bei der Abgasreinigung ein sog. Thermofenster zum Einsatz. „Der EuGH hat bereits entschieden, dass ein Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, wenn es dazu führt, dass die Wirkung des Emissionskontrollsystems schon bei im Jahresdurchschnitt üblichen Temperaturen reduziert wird“, so Rechtsanwalt Seifert.
Schadenersatz schon bei Fahrlässigkeit
Daher war auch das OLG Bamberg zwar davon ausgegangen, dass es sich bei dem Thermofenster im Sinne des Unionsrechts um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Da Fiat bzw. dem Mutterkonzern Stellantis aber keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorzuwerfen sei, habe der Kläger keinen Anspruch auf Schadenersatz. „Wichtig ist, dass das OLG Bamberg diese Entscheidung im September 2022 getroffen hat und damit deutlich bevor der BGH im Juni 2023 deutlich gemacht hat, dass schon bei Fahrlässigkeit und nicht erst bei Vorsatz Schadenersatzansprüche bestehen“, so Rechtsanwalt Seifert.
Diese Rechtsprechung setzte der BGH nun im Revisionsverfahren konsequent fort und kippte die Entscheidung des OLG Bamberg. Da in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines Thermofensters verwendet werde, habe Fiat eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt und damit zumindest fahrlässig gehandelt. Der Kläger könnte daher Anspruch auf Ersatz des Differenzschaden haben, so die Karlsruher Richter.
Anders als beim Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, wird beim Differenzschaden der Kaufvertrag nicht vollständig rückabgewickelt. Stattdessen erhält der Käufer den Betrag zurück, den er für das Fahrzeug aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung zu viel gezahlt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH beträgt der Differenzschaden zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises. Das Fahrzeug kann der Kläger dann behalten.
Deutsches Recht maßgeblich
Dem Argument von Stellantis, dass nicht deutsches, sondern italienisches Recht maßgeblich sei, weil das Fahrzeug in Italien genehmigt wurde, erteilte der BGH eine Absage. Entscheidend sei, wo das vervollständigte Wohnmobil erstmals in Verkehr gebracht wurde. Dementsprechend sei deutsches Recht anwendbar, so die Karlsruher Richter, die den Fall zur erneuten Entscheidung an das OLG Bamberg zurückverwiesen.
„Da der BGH erst nach der ursprünglichen Entscheidung des OLG Bamberg entschieden hatte, dass Schadenersatzansprüche im Abgasskandal schon bei Fahrlässigkeit bestehen, ist davon auszugehen, dass das OLG Bamberg seine Rechtsprechung anpassen und dem BGH folgen wird. Die Chancen auf Schadenersatz im Wohnmobil-Abgasskandal sind nach der BGH-Entscheidung weiter gestiegen“, sagt Rechtsanwalt Seifert.
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