Rückrufservice

BGH sieht im Wohnmobil-Abgasskandal Anspruch auf Schadenersatz – VIa ZR 1425/22

28.11.2023

Im Abgasskandal haben grundsätzlich auch die Besitzer von Wohnmobilen Anspruch auf Schadenersatz, wenn in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz kommt. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 27. November 2023 deutlich gemacht (Az.: VIa ZR 1425/22). In dem Verfahren ging es um ein Wohnmobil Sunlight A 68, das auf einem Fiat Ducato basiert.

„Verschiedene Modelle des Fiat Ducato sind bei Abgasmessungen des Kraftfahrt-Bundesamts oder auch der Deutschen Umwelthilfe mit hohen Abgaswerten, die die Grenzwerte zum Teil deutlich überschreiten, aufgefallen. Nach dem Urteil des BGH ist klar, dass die Besitzer Anspruch auf Schadenersatz haben, wenn eine unzulässige Abschalteinrichtung in dem Fahrzeug verbaut ist“, sagt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLLMANN Rechtsanwälte. Der BGH hat in dem Verfahren seine Rechtsprechung vom 26. Juni 2023 konsequent fortgesetzt, nach der Schadenersatzansprüche im Abgasskandal schon bei Fahrlässigkeit des Autoherstellers bestehen.

Wohnmobil auf Basis eines Fiat Ducato

In dem Verfahren vor dem BGH hatte der Kläger das Wohnmobil Sunlight A 68 im April 2018 als Neufahrzeug gekauft. Der Camper baut auf einem Fiat Ducato mit dem Dieselmotor des Typs 2,3 Liter Multijet II mit 96 kw und der Abgasnorm Euro 6 auf. Die EG-Typengenehmigung für den Fiat Ducato wurde von der Zulassungsbehörde in Italien erteilt.

Der Kläger machte Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung geltend. So komme bei der Abgasreinigung ein sog. Thermofenster zum Einsatz. „Der EuGH hat bereits entschieden, dass ein Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, wenn es dazu führt, dass die Wirkung des Emissionskontrollsystems schon bei im Jahresdurchschnitt üblichen Temperaturen reduziert wird“, so Rechtsanwalt Seifert.

Schadenersatz schon bei Fahrlässigkeit

Daher war auch das OLG Bamberg zwar davon ausgegangen, dass es sich bei dem Thermofenster im Sinne des Unionsrechts um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Da Fiat bzw. dem Mutterkonzern Stellantis aber keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorzuwerfen sei, habe der Kläger keinen Anspruch auf Schadenersatz. „Wichtig ist, dass das OLG Bamberg diese Entscheidung im September 2022 getroffen hat und damit deutlich bevor der BGH im Juni 2023 deutlich gemacht hat, dass schon bei Fahrlässigkeit und nicht erst bei Vorsatz Schadenersatzansprüche bestehen“, so Rechtsanwalt Seifert.

Hier mehr zu diesem Rechtsgebiet erfahren oder anrufen +49 711 - 520 888 0.
Gerne können Sie uns eine Mail senden an info@bruellmann.de

Diese Rechtsprechung setzte der BGH nun im Revisionsverfahren konsequent fort und kippte die Entscheidung des OLG Bamberg. Da in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines Thermofensters verwendet werde, habe Fiat eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt und damit zumindest fahrlässig gehandelt. Der Kläger könnte daher Anspruch auf Ersatz des Differenzschaden haben, so die Karlsruher Richter.

Anders als beim Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, wird beim Differenzschaden der Kaufvertrag nicht vollständig rückabgewickelt. Stattdessen erhält der Käufer den Betrag zurück, den er für das Fahrzeug aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung zu viel gezahlt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH beträgt der Differenzschaden zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises. Das Fahrzeug kann der Kläger dann behalten.

Deutsches Recht maßgeblich

Dem Argument von Stellantis, dass nicht deutsches, sondern italienisches Recht maßgeblich sei, weil das Fahrzeug in Italien genehmigt wurde, erteilte der BGH eine Absage. Entscheidend sei, wo das vervollständigte Wohnmobil erstmals in Verkehr gebracht wurde. Dementsprechend sei deutsches Recht anwendbar, so die Karlsruher Richter, die den Fall zur erneuten Entscheidung an das OLG Bamberg zurückverwiesen.

„Da der BGH erst nach der ursprünglichen Entscheidung des OLG Bamberg entschieden hatte, dass Schadenersatzansprüche im Abgasskandal schon bei Fahrlässigkeit bestehen, ist davon auszugehen, dass das OLG Bamberg seine Rechtsprechung anpassen und dem BGH folgen wird. Die Chancen auf Schadenersatz im Wohnmobil-Abgasskandal sind nach der BGH-Entscheidung weiter gestiegen“, sagt Rechtsanwalt Seifert.

Die Kanzlei BRÜLLMANN Rechtsanwälte ist Kooperationspartner der IG Dieselskandal und bietet Ihnen eine kostenlose Ersteinschätzung Ihrer Möglichkeiten an. Sprechen Sie uns an.

Mehr Informationen: https://bruellmann.de/wohnmobile-abgasskandal

Ansprechpartner

Sekretariat: Frau Polski
Tel: 0711 / 520 888 - 28
Fax: 0711 / 520 888 - 23
E-Mail: m.seifert@bruellmann.de

Kontaktieren Sie uns

Ich stimme zu, dass meine Angaben aus dem Kontaktformular zur Beantwortung meiner Anfrage erhoben und verarbeitet werden. Die Daten werden nach abgeschlossener Bearbeitung Ihrer Anfrage gelöscht. Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an datenschutz@bruellmann.de widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. *
Aktuelles
19.04.2024

Im Abgasskandal muss Mercedes aus Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) weitere Fahrzeuge zurückrufen. Konkret geht es um Fahrzeuge der Mercedes C-Klasse der Baujahre von 2013 bis 2018 mit dem Dieselmotor des Typs OM 626 und der Abgasnorm Euro 6 der Baureihe 205.
16.04.2024

Das OLG Nürnberg hat BMW wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem BMW 218 d mit Urteil vom 1. März 2024 zu Schadenersatz verurteilt (Az.: 1 U 97/23). Der Kläger hat Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 10 Prozent des Kaufpreises und kann das Fahrzeug behalten.
11.04.2024

Im Abgasskandal hat das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 20. März 2024 entschieden, dass der Käufer einer Mercedes S-Klasse Anspruch auf Schadenersatz hat (Az.: 3 O 349/21). Der Kläger erhält rund 12 Prozent des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurück – unterm Strich rund 7.200 Euro. Das Fahrzeug kann er behalten.
05.04.2024

Im Abgasskandal hat das OLG Hamm mit Urteil vom 19. März 2024 Schadenersatz bei einem VW T6 zugesprochen (Az.: I-19 U 497/21). In dem Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form der sog. Fahrkurvenerkennung verbaut. „Unser Mandant ist dadurch geschädigt worden und hat nach dem Urteil des OLG Hamm Anspruch auf Ersatz des sog. Differenzschadens“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte, der das Urteil erstritten hat.
04.04.2024

BMW ist im Abgasskandal vom OLG Nürnberg zu Schadenersatz verurteilt worden. Das Oberlandesgericht entschied mit Urteil vom 1. März 2024, dass BMW dem Kläger zehn Prozent des Kaufpreises ersetzen muss (Az.: 1 U 3435/22). Das Fahrzeug, ein BMW 318 d, kann der Kläger behalten.
28.03.2024

Niederlage für Mercedes im Abgasskandal: Das OLG Stuttgart hat im Musterverfahren mit Urteil vom 28. März 2024 entschieden, dass Mercedes in verschiedenen Modellen unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet hat (Az.: 24 MK 1/21). Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. „Dennoch ist die Tür für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal damit weiter geöffnet worden“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.