Rückrufservice

OLG Naumburg spricht erneut Schadenersatz im Wohnmobil-Abgasskandsal zu

27.10.2023

Das OLG Naumburg hat den Fiat-Mutterkonzern Stellantis im Abgasskandal um Wohnmobile auf Basis eines Fiat Ducato ein weiteres Mal zu Schadenersatz verurteilt. Mit Urteil vom 26. September 2023 entschied das OLG, dass in einem Wohnmobil des Typs Sunlight T 65 eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz kommt und der Käufer daher Anspruch auf Schadenersatz habe (Az.: 8 U 37/23).

Der Kläger hatte das Wohnmobil Sunlight T 65 im Juli 2020 zum Preis von 48.000 Euro gekauft. Das Modell basiert auf einem Fiat Ducato mit 2,3 Liter Hubraum und der Abgasnorm Euro 5.

Abgasmessungen, u.a. durch das Kraftfahrt-Bundesamt, bei verschiedenen Modellen des Fiat Ducato haben ergeben, dass der Stickoxid-Ausstoß den zulässigen Grenzwert zum Teil deutlich übersteigt. Die zuständige italienische Zulassungsbehörde ordnete trotzdem keinen Rückruf an. Der Kläger machte dennoch Schadenersatzansprüche geltend, weil in dem Motor unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz kämen. Neben einem Thermofenster bei der Abgasreinigung sorge u.a. eine Timerfunktion dafür, dass nach ca. 22 Minuten die Abgasrückführung reduziert wird, was einen Emissionsanstieg zur Folge hat. „Damit ist die Abgasrückführung gerade lange genug für den etwa 20-minütigen Abgastest im Prüfmodus vollständig aktiv“, sagt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.

Das OLG Naumburg folgte der Argumentation, dass mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen in dem Fahrzeug verbaut seien. Eine unzulässige Abschalteinrichtung liege vor, wenn dadurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter normalen Betriebsbedingungen verringert wird, stellte das OLG klar. Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts werde bei diesem Modell die Abgasrückführungsrate (AGR) nach einer gewissen Laufzeit des Motors verringert bzw. deaktiviert. Ebenso sorge ein Thermofenster in Abhängigkeit der Umgebungstemperatur für eine Reduzierung der AGR. Zudem werde auch die Timer-Funktion verwendet. Der Kläger habe das Vorhandensein der Abschalteinrichtungen hinreichend dargelegt, so das OLG.

Die Fiat-Mutter Stellantis habe diese Vorwürfe hingegen nicht entkräften können. Es sei nicht entscheidend, ob eine Funktion verbaut ist, die den Prüfstand erkennt. Vielmehr komme es darauf an, ob die Funktion Bedingungen erkennt, die kumulativ nahezu nur auf dem Prüfstand vorkommen und aufgrund dieser Bedingungen die AGR verändert, führte das OLG aus. Dass die AGR im Prüfmodus gegenüber dem Realbetrieb deutlich erhöht ist und der Emissionsausstoß dadurch im Prüfmodus niedriger als im normalen Straßenverkehr ist, sei unstreitig, so das Gericht. Stellantis könne sich auch nicht darauf berufen, dass diese Funktionen aus Motorschutzgründen notwendig seien. Es handele sich um unzulässige Abschalteinrichtungen.

Dennoch könne Stellantis keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nachgewiesen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH vom 26. Juni 2023 reicht aber bereits Fahrlässigkeit des Autoherstellers für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal aus. Der Kläger habe daher Anspruch auf Ersatz des sog. Differenzschadens, den das Gericht auf 10 Prozent des Kaufpreises, 4.800 Euro, bezifferte. Das Wohnmobil kann der Kläger behalten, eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer wird nicht abgezogen.

„Der BGH hat mit Urteilen vom 26. Juni 2023 entschieden hat, dass schon Fahrlässigkeit des Autoherstellers für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal ausreicht. Damit hat der BGH die Hürden für Schadenersatzansprüche erheblich gesenkt. Von dieser Rechtsprechung können auch Käufer eines Wohnmobils auf Basis eines Fiat Ducato profitieren, wie das Urteil des OLG Naumburg zeigt“, so Rechtsanwalt Seifert.

Abgas-Skandal

Hier mehr zu diesem Rechtsgebiet erfahren oder anrufen +49 711 - 520 888 0.
Gerne können Sie uns eine Mail senden an info@bruellmann.de

Die Kanzlei BRÜLLMANN Rechtsanwälte ist Kooperationspartner der IG Dieselskandal und bietet Ihnen eine kostenlose Ersteinschätzung Ihrer Möglichkeiten an. Sprechen Sie uns an.

Mehr Informationen: https://bruellmann.de/wohnmobile-abgasskandal

Ansprechpartner

Sekretariat: Frau Polski
Tel: 0711 / 520 888 - 28
Fax: 0711 / 520 888 - 23
E-Mail: m.seifert@bruellmann.de

Kontaktieren Sie uns

Ich stimme zu, dass meine Angaben aus dem Kontaktformular zur Beantwortung meiner Anfrage erhoben und verarbeitet werden. Die Daten werden nach abgeschlossener Bearbeitung Ihrer Anfrage gelöscht. Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an datenschutz@bruellmann.de widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. *
Aktuelles
28.11.2023

Im Abgasskandal haben grundsätzlich auch die Besitzer von Wohnmobilen Anspruch auf Schadenersatz, wenn in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz kommt. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 27. November 2023 deutlich gemacht (Az.: VIa ZR 1425/22). In dem Verfahren ging es um ein Wohnmobil Sunlight A 68, das auf einem Fiat Ducato basiert.
27.11.2023

Im Abgasskandal hat sich VW in einem Verfahren zu Schadenersatzansprüchen bei einem VW T5 auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen. Das ließ das OLG Hamburg mit Beschluss vom 23.11.2023 nicht durchgehen. An einen unvermedbaren Verbotsirrtum habe der Gesetzgeber hohe Anforderungen gestellt. Die habe VW nicht ausreichend erfüllt, so das OLG (Az.: 5 u 129/22).
21.11.2023

Im VW Abgasskandal landet das Thermofenster bei der Abgasreinigung erneut vor dem Europäischen Gerichtshof. Konkret geht es in fünf Verfahren um das Thermofenster beim VW T6, beim VW Golf und beim VW Sharan (Az.: 2 O 331/19, 2 O 190/20, 2 O 425/20, 2 O 16/21, 2 O 57/21). Auf Vorlage des Landgerichts Ravensburg soll der EuGH im Wesentlichen klären, ob VW aufgrund des Thermofensters Schadenersatz leisten muss oder sich auf den sog. unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen kann.
20.11.2023

Im Audi-Abgasskandal können nach wie vor Schadenersatzansprüche durchgesetzt werden. Das OLG Stuttgart hat mit aktuellem Urteil bestätigt, dass der Käufer eines Audi A5 mit dem durch den Dieselskandal bekannt gewordenen Motor des Typs EA 189 Anspruch auf den sog. Restschadenersatz hat (Az.: 10 U 158/22).
16.11.2023

Das Landgericht Gießen hat im Abgasskandal dem Käufer eines VW Caddy Schadenersatz zugesprochen (Az.: 9 O 242/23) . Das Besondere: In dem VW Caddy ist der Dieselmotor des Typs EA 288 und damit das Nachfolgemodell des durch den Dieselskandal bekannt gewordenen Motors EA 189 verbaut.
10.11.2023

Das OLG Köln hat Mercedes im Abgasskandal wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung mit Urteil vom 26. Oktober 2023 zu Schadenersatz verurteilt (Az.: 24 U 205/21). Gegen Rückgabe des Fahrzeugs kann der Kläger die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer verlangen.