Das OLG Köln hat Mercedes im Abgasskandal wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung mit Urteil vom 26. Oktober 2023 zu Schadenersatz verurteilt (Az.: 24 U 205/21). Gegen Rückgabe des Fahrzeugs kann der Kläger die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer verlangen.
Konkret ging es in dem Verfahren um einen Mercedes SLK 250 d mit dem Dieselmotor des Typs OM 651 und der Abgasnorm Euro 6, den der Kläger im Jahr 2016 als Gebrauchtwagen zum Preis von 37.000 Euro gekauft hatte. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat für das Modell einen Rückruf wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. einer unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems angeordnet.
Der Kläger machte daher Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen geltend. Neben der sog. Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR) komme u.a. auch eine AdBlue-Dosierstrategie zum Einsatz. Dabei erfolge die Einspritzung des Harnstoffs AdBlue in zwei unterschiedlichen Modi. Anhand verschiedener Parameter werde dabei vom Füllstands- in den Online-Modus gewechselt. Die Abschalteinrichtungen sorgten dafür, dass die Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß zwar im Prüfmodus eingehalten werde, der Emissionsausstoß unter normalen Betriebsbedingungen jedoch steige.
Das OLG Köln folgte der Argumentation. Mercedes habe das Fahrzeug gleich mit mehreren unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet. Der Kläger habe daher Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.
Gemäß den europäischen Vorgaben müssen Autohersteller das Fahrzeug so ausrüsten, dass die gesetzlichen Grenzwerte für den Emissionsausstoß nicht nur im Prüfmodus, sondern auch unter normalen Betriebsbedingungen eingehalten werden. Funktionen, die die Wirkung des Emissionskontrollsystems verringern, seien daher unzulässig, sofern sie nicht aus Gründen des unmittelbaren Motorschutzes notwendig sind. Bei der Kühlmittel-Solltemperartur-Regelung und der AdBlue-Dosierstrategie handele es sich daher um unzulässige Abschalteinrichtungen, so das Oberlandesgericht.
Zur Begründung führte es aus, dass die KSR durch die Absenkung der Kühlmitteltemperatur und damit auch der Motortemperatur von 100 auf 70 Grad den Stickoxid-Ausstoß verringert. Allerdings sei die KSR überwiegend unter Bedingungen wie sie im Prüfmodus herrschen aktiv. Unter normalen Betriebsbedingungen komme sie hingegen kaum zum Einsatz.
Auch die AdBlue-Dosierstrategie stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, so das OLG Köln weiter. Es sei zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden, dass die AdBlue-Einspritzung in zwei unterschiedlichen Betriebsmodi stattfindet. Allerdings habe das Kraftfahrt-Bundesamt die konkrete Ausgestaltung der unterschiedlichen Modi als unzulässig angesehen, da sie sich in ihrer Effektivität erheblich unterscheiden. So komme der für die Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes bessere Füllstand-Modus nur sehr begrenzt zur Anwendung.
Zumindest in der Kombination stelle sich der Einsatz von KSR und AdBlue-Dosierstrategie als besonders verwerflich dar, machte das OLG Köln deutlich. Eine Funktion, die den Prüfstand zwar nicht direkt erkennt, aber auf die Bedingungen des Prüfstands zugeschnitten ist, stehe einer Prüfstandserkennung gleich und sei als unzulässige Abschalteinrichtung zu werten, so das OLG.
Der Kläger sei vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden und könne daher die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs kann er die Erstattung des Kaufpreises (37.000 Euro) abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von ca. 7.500 Euro für die gefahrenen rund 58.000 Kilometer verlangen. Unterm Strich bleibt ein Zahlungsanspruch in Höhe von rund 29.500 Euro.
„Der BGH hat im Juni entschieden, dass Schadenersatzansprüche im Abgasskandal schon bei Fahrlässigkeit des Autoherstellers bestehen. Das erleichtert die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen. Allerdings wird bei Fahrlässigkeit der Kaufvertrag nicht vollständig rückabgewickelt, sondern der Käufer hat Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens, der zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises beträgt“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
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