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LG Potsdam: Keine Mithaftung bei Darlehen wegen Sittenwidrigkeit

Die Mitunterzeichnung eines Darlehensvertrags oder die Bürgschaft für ein Darlehen kann mit erheblichen Risiken verbunden sein. Das musste auch ein Rentner-Ehepaar erleben, das Kreditverträge seines Sohnes mitunterschrieben hatte. Nach dessen Tod nahm die Bank die Eltern in Anspruch. Das Landgericht Potsdam entschied jedoch mit Urteil vom 12. Juli 2023, dass die Bürgschaft sittenwidrig und damit unwirksam sei (Az.: 8 O 181/22).

In dem zu Grunde liegenden Fall hatte das Rentner-Ehepaar seinen Sohn bei der Aufnahme zweier Darlehensverträge im November 2014 über insgesamt 159.000 Euro zum Kauf einer Immobilie unterstützt. 2015 kaufte der Sohn ein Haus; seinen Eltern hatte er versprochen, in dem Haus gegen Miete wohnen zu können.

Die Darlehensverträge sahen bei einer 15-jährigen Laufzeit eine Rückzahlung des Kredits in monatliche Raten in Höhe von 632,43 Euro vor. Die Darlehensverträge hatten zwar die Eltern und der Sohn zusammen abgeschlossen, in den Verträgen wurde aber allein das Konto des Sohnes für die Ratenzahlung benannt und dieser zahlte wie vereinbart die Raten auch allein. Seine Eltern wurden als Mitdarlehensnehmer bezeichnet und sie hatten die persönliche Haftung für die Grundschuld übernommen. Beim Abschluss der Kreditverträge waren die Kläger 66 bzw. 68 Jahre alt und bezogen Renten in Höhe von insgesamt rund 2.000 Euro. Hinzu kam noch ein Gehalt in Höhe von 400 Euro aus einem Minijob.

Bei den Kreditverhandlungen habe der Finanzvermittler erklärt, dass die Bank Sicherheiten für die Darlehensgewährung verlangte und die Eltern daher die Verträge mitunterschreiben müssten. Dies sei für sie aber kein Risiko, da der Sohn die Darlehensraten sicher allein bedienen könne. Über ihre weitere Pflichten wurden die Eltern nicht aufgeklärt.

Als der Sohn 2021 verstarb, nahm die Bank die Eltern für die Rückzahlung der Darlehen in Haftung. Dagegen wehrten sie sich. Erst nach dem Tod ihres Sohnes sei ihnen klargeworden, dass sie persönlich haftbar sind. Die Bank hätte aber schon bei Abschluss der Darlehensverträge erkennen müssen, dass sie mit der Rückzahlung der Darlehen krass finanziell überfordert sind. Ihre Mithaftung sei daher sittenwidrig, so das Ehepaar. Die Bank argumentierte hingegen, dass die Eltern als „echte“ Darlehensnehmer und nicht nur als bloße Mithaftende anzusehen seien. Sittenwidrigkeit käme somit nicht in Betracht.

Das LG Potsdam entschied zu Gunsten der Eltern. Sie seien bei Vertragsabschluss mit der Darlehenshaftung finanziell krass überfordert gewesen. Ihre Mithaftung sei daher sittenwidrig und unwirksam.

Ob Sittenwidrigkeit vorliegt, hänge nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig vom Grad des Missverhältnisses zwischen der Höhe der finanziellen Verpflichtungen der Bürgen und ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit ab, so das Gericht. Zwar reiche der Umstand, dass der Bürge vermutlich noch nicht einmal die hohe Zinslast aus dem Darlehen bestreiten kann, nicht aus, um von Sittenwidrigkeit auszugehen, so das LG Potsdam. Allerdings sei davon auszugehen, dass die Eltern nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Sohn die Bürgschaft bzw. Mithaftung eingegangen seien und die Bank diese emotionale Verbundenheit sittenwidrig ausgenutzt habe.

Weiter stellte das LG Potsdam klar, dass die Eltern in den Verträgen zwar als Mitdarlehensnehmer bezeichnet werden, tatsächlich aber nur Mithaftende seien. Von einem echten Mitdarlehensnehmer sei nur auszugehen, wenn derjenige ein eigenes Interessen an der Darlehensaufnahme hat und im Wesentlichen als gleichberechtigter Partner auftritt. Welche vertragliche Formulierung die Bank wählt, sei nicht entscheidend. Der Aussicht auf einen Mietvertrag wie im vorliegenden Fall sei kein eigener Vorteil, der eine hoffnungslose Überschuldung ausgleichen könne, führte das LG Potsdam aus. Schließlich spreche auch der Umstand, dass der Sohn das Darlehen allein bedient hat, gegen eine Einordnung der Eltern als Mitdarlehensnehmer.

„Ob Sittenwidrigkeit vorliegt, muss immer im Einzelfall entschieden werden. In der Regel ist aber von Sittenwidrigkeit auszugehen, wenn der Mithaftende finanziell deutlich überfordert wird“, sagt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLMANN Rechtsanwälte.

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